Orientierungshilfe für Betroffene
Laien finden sich oft nur schwer im weiten Feld der Behandlungsmöglichkeiten psychischer Krisen, Störungen und Erkrankungen im öffentlichen und privaten Gesundheitswesen zurecht. Die „Revierkämpfe“ der psychotherapeutisch tätigen Berufsgruppen tragen zusätzlich zur Verunsicherung der Patienten bei. Der folgende Text soll einen kurzen Überblick verschaffen.
A. Wer darf psychotherapeutische Leistungen anbieten?
In Deutschland darf jeder psychotherapeutische Leistungen anbieten, dem eine staatliche Erlaubnis erteilt wurde entweder
- in Form der Approbation (Ärztliche, Psychologische und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gemäß Psychotherapeutengesetz PsychThG oder andere Ärzte nach GOÄ [Gebührenordnung für Ärzte]) oder
- in Form der Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde – uneingeschränkt oder eingeschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie – nach dem Heilpraktikergesetz HeilprG.
B. Die psychotherapeutische Qualifikation: Wer kann was?
In welchem psychotherapeutischen Verfahren und wie fundiert ein Anbieter psychotherapeutischer Leistung ausgebildet ist, ist auch nicht anhand der Berufsbezeichnung auf den ersten Blick ersichtlich.
I. Die Gruppe der ärztlichen Psychotherapeuten:
- Psychiater sind studierte Mediziner mit anschließender Facharztweiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie (seit 1994; vorher war die psychotherapeutische Ausbildung kein verpflichtender Bestandteil der Facharztausbildung).
- Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sind ebenfalls studierte Mediziner mit einer Facharztweiterbildung und umfassenden theoretischen und praktischen Kenntnissen der Psychotherapie. Sie hießen bis 2003 „Facharzt für Psychotherapeutische Medizin“.
- Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sind in dem o.g. Umfang ausgebildet und auf die Anforderungen im psychiatrischen und psychotherapeutischen Umgang mit Kindern und Jugendlichen spezialisiert.
- Ärzte anderer Fachrichtungen können im Anschluss an die Facharztausbildung eine Zusatzweiterbildung in Psychotherapie absolvieren und dürfen dann die Zusatzbezeichnung Psychotherapie führen. Diese Zusatzweiterbildungen sind kürzer und weniger umfangreich als die o.g. Facharztweiterbildungen und berechtigen zur psychotherapeutischen Behandlung von Erkrankungen aus dem eigenen ärztlichen Fachgebiet (sog. fachgebundene Psychotherapie).
Ärztliche Psychotherapeuten haben die Erlaubnis und das Können, Patienten medikamentös und psychotherapeutisch zu behandeln und sind berechtigt, dies mit Krankenkassen abzurechnen.
II. Die Gruppe anderer Ärzte, die Psychotherapie anbieten:
Ärzte, die Ihr Honorar nicht mit der Krankenkasse, sondern privat mit dem Patienten abrechnen, können psychotherapeutische Leistungen veranschlagen unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sie psychotherapeutisch aus- oder weitergebildet sind.
Bei dieser Gruppe steht die Erlaubnis zur medikamentösen und psychotherapeutischen Behandlung nicht mehr in so unmittelbarem Zusammenhang zur Befähigung wie bei der Gruppe der ärztlichen Psychotherapeuten.
III. Psychologische Psychotherapeuten
haben ein Psychologiestudium absolviert, das allein noch nicht zur psychotherapeutischen Arbeit mit Menschen berechtigt oder befähigt. Daher absolvieren sie nach dem Srudium noch eine dreijährige psychotherapeutische Ausbildung in einem der drei Richtlinienpsychotherapieverfahren, die sogenannte Approbationsausbildung, nach deren erfolgreichem Abschluss sie die staatliche Erlaubnis (Approbation) erhalten, Psychotherapien durchzuführen. Hier besteht also wie bei den Ärztlichen Psychotherapeuten ein direkter Zusammenhang zwischen Erlaubnis und Befähigung.
In Deutschland wird die Approbationsausbildung für nur vier Psychotherapieverfahren, die drei sogenannten Richtlinienpsychotherapieverfahren Psychoanalyse, Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische fundierte Psychotherapie und darüber hinaus für die Systemische Therapie angeboten, entweder für die psychotherapeutische Behandlung von Erwachsenen oder von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendlichen-psychotherapeut).
Psychologische Psychotherapeuten sind keine Ärzte, weshalb sie keine Medikamente verschreiben und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder Klinikeinweisungen ausstellen dürfen.
IV. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
Zur Approbationsausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut - nicht für die Behandlung Erwachsener! - werden neben Psychologen auch studierte Pädagogen, Sozialpädagogen und Studienabsolventen anderer sozialwissenschaftlicher Fächer zugelassen.
Diese Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sind keine Ärzte, weshalb sie keine Medikamente verschreiben und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder Klinikeinweisungen ausstellen dürfen.
V. Heilpraktiker mit und ohne Einschränkung
- Der Heilpraktiker ohne Einschränkung muss eine amtsärztliche Überprüfung bestehen, um die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz zu erhalten. In der Prüfung geht es in erster Linie darum festzustellen, dass der Prüfling keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt. Heilpraktiker wenden meist bewährte Naturheilverfahren an. Der Heilpraktiker darf außerdem psychotherapeutische Leistungen gemäß der Gebührenordnung für Heilpraktiker anbieten unabhängig davon, ob er hierfür ausgebildet ist.
Beim Heilpraktiker besteht also kein Zusammenhang mehr zwischen Erlaubnis und Befähigung. Hier sollte sich der Klient aktiv informieren und sich einen Eindruck von der Befähigung des Heilpraktikers verschaffen. - Der Heilpraktiker für Psychotherapie (oft abgekürzt: HP Psych) muss eine amtsärztliche Überprüfung bestehen, um die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz eingeschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie zu erhalten.
Der Prüfling wird auf seine Kenntnisse der Psychopathologie, Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten psychischer Erkrankungen sowie auf seine Fähigkeiten in der psychotherapeutischen Behandlung geprüft. Auch hier geht es primär darum festzustellen, dass der Prüfling keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt, sondern verantwortungsvoll abgrenzen kann, ob er einen Klienten behandeln darf und kann oder nicht, ob sich der Prüfling also der Grenzen seiner heilkundlichen Tätigkeit bewusst ist.
Fundiertes Wissen und Können eines psychotherapeutischen Verfahrens sind aber nicht Inhalt der Überprüfung. Nur wenige Gesundheitsämter verlangen als Voraussetzung für die Zulassung zur Überprüfung überhaupt den Nachweis einer psychotherapeutischen Ausbildung, so dass auch beim Heilpraktiker für Psychotherapie die Erlaubnis keine unmittelbare Schlussfolgerung über die Befähigung zulässt.
Im Gegensatz zum psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten allerdings steht es dem Heilpraktiker und dem Heilpraktiker für Psychotherapie frei, in welchem Verfahren er sich ausbilden lässt. Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie haben daher die Freiheit, eine breite Palette wirksamer Psychotherapieverfahren anzubieten, die in Deutschland nicht zu den Richtlinienpsychotherapieverfahren zählen. Ob das vom HP Psych angebotene Verfahren also anerkannt ist, ob es wissenschaftlich nachgewiesen wirksam ist und ob es überhaupt zu den Psychotherapieverfahren zählt, wird dem Klienten nicht unmittelbar ersichtlich. Hierüber muss der Heilpraktiker bzw. der Heilpraktiker für Psychotherapie aber aufklärend informieren. Ein Zeichen von Seriosität ist es unseres Erachtens, wenn ein Therapeut zu seinem Verfahren auf seiner Homepage und in seiner Patienteninformation in der Praxis aussagekräftig Stellung nimmt und auch Verbindungen oder Links herstellt, z.B. zu Berufsverbänden.
Der Klient sollte sich also aktiv informieren und sich einen Eindruck von der Befähigung des Heilpraktikers verschaffen. Unseres Erachtens gilt dies aber ohnehin für jede Leistung, die Sie im Gesundheitsbereich in Anspruch nehmen: Machen Sie sich eigenverantwortlich ein Bild des Anbieters, unabhängig von dessen Berufsbezeichnung oder Titel. Scheuen Sie sich nicht, nachzufragen und auf Antworten zu bestehen.
Heilpraktiker mit und ohne Einschränkung sind keine Ärzte, weshalb sie keine Medikamente verschreiben und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder Klinikeinweisungen ausstellen dürfen. Für sie gilt im Rahmen der Berufsordnung eine Verschwiegenheitspflicht, die sich allerdings von der ärztlichen Schweigepflicht dahingehend unterscheidet, dass sie gegenüber den Strafverfolgungsbehörden kein Zeugnisverweigerungsrecht haben.